Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW), der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) setzen sich mit einem Fachtag für die Berücksichtigung von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit bei der Ausschreibung sozialer Dienstleistungen ein.
Bei ihrem gemeinsamen Fachtag fragen sie, was den Wettbewerb in der Sozialwirtschaft nachhaltig macht. Anhand von Praxisfällen zeigen sie: es ist möglich, soziale Arbeit wirtschaftlich und nachhaltig zu erbringen – aber dafür braucht es geeignete Rahmenbedingungen. Mit Vertreter:innen der Sozialwirtschaft, der Kommunen, der Wissenschaft und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz diskutieren sie, wie diese Rahmenbedingungen entstehen können und wie öffentliche Auftraggeber wirksamer als bisher die nachhaltige Arbeit sozialer Unternehmen anerkennen können.
Bei der öffentlichen Beschaffung von Waren oder IT-Dienstleistungen ist die nachhaltige Beschaffung schon gang und gäbe. So schreibt der Bund detailliert vor, wie bei der Warenbeschaffung auf Klimaneutralität und ökologische Nachhaltigkeit zu achten ist. Auf allen Ebenen gibt es Beratungsangebote für die nachhaltige Beschaffung und viele Kommunen werden für ihre nachhaltige Beschaffung ausgezeichnet. Die Sozialwirtschaft wartet allerdings noch darauf, dass diese wichtige Ausrichtung dort ankommt, wo Kommunen auch die Sicherstellung von sozialen Dienstleistungen über Auftragsvergaben regeln.
Die gemeinnützige Sozialwirtschaft stellt mit ihren ca. 120.000 Unternehmen und ca. 1,9 Mio Beschäftigten einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar.[1]Die Branche an sich erwirtschaftete (je nach Abgrenzung) im Jahr 2021 einen Umsatz von 185 Mrd. Euro[2] (ca. 5,3 Prozent des BIP). Sie beschäftigt 5,3 Mio. sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer:innen (ca. 15,3 Prozent der SV-pflichtig Beschäftigten[3]).
Der Präsident der BAGFW, Michael Groß, fordert, dass die Öffnung der öffentlichen Beschaffung für Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit auch im Bereich der Sozialwirtschaft ankommt: „Das Bundesverfassungsgericht betont die grundrechtliche Relevanz des Klimaschutzes und die Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral arbeitet. Das klappt nur, wenn sich tatsächlich alle Bereiche auf den Weg machen und an diesem Ziel zusammenarbeiten. Für die Sozialwirtschaft heißt das: Es gibt keinen Widerspruch zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Wenn wir heute nachhaltige soziale Arbeit angemessen vergüten, zahlen wir auf eine nachhaltigere Umwelt und tragfähigeres soziales Netz ein.“
Dr. Miriam Meßling, Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstags: „Ich halte die heutige Tagung für einen wichtigen Aufschlag. Es ist essentiell, sich in der großen Nachhaltigkeitsdebatte darüber zu vergewissern, welche Maßstäbe wir damit in der Sozialwirtschaft meinen und in welchem Spannungsfeld sie sich zum Wirtschaftlichkeitsgebot - und übrigens auch zur Generationengerechtigkeit bewegen.“
Der Vorstand des Deutschen Vereins, Michael Löher,betont: „Ein nachhaltiger Vergabe-Wettbewerb muss soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte berücksichtigen. Auf die richtige Balance kommt es dabei an. Gerade im Bereich der Sozialwirtschaft braucht es ein Verständnis für die Strukturen und Bedarfe vor Ort. Dazu muss der Dialog zwischen den sozialen Dienstleistern und den Kommunen vor Ort weiter gefördert und gestärkt werden. Denn uns vereint ein gemeinsames Ziel: Eine nachhaltige soziale Infrastruktur vor Ort zu sichern – mit Blick auf die Menschen heutiger und künftiger Generationen.“
[1]www.bagfw.de/fileadmin/user_upload/Veroeffentlichungen/Publikationen/Statistik/BAGFW_Gesamtstatistik_2016.pdf
[2] Der Gesamtumsatz der Sozialwirtschaft im engen Sinne wird auf etwas mehr als 100 Mrd. € geschätzt, vgl. Löwenhaupt, S. (2021): Nachhaltigkeitscontrolling in Einrichtungen der Sozialwirtschaft. Wird die gesamte Gesundheitswirtschaft, insbesondere auch die Krankenhäuser dazu genommen, müssen für jene schon allein 85 Mrd. € angesetzt werden, vgl. vdek: Daten zum Gesundheitswesen: Ausgaben (Abfrage vom 15.11.2022). Für die gesamte Gesundheitswirtschaft würden über 400 Mrd. € zu verzeichnen sein, vgl. vdek: Daten zum Gesundheitswesen: Finanzierung (Abfrage vom 15.11.2022)
[3] Vgl. Statistisches Bundesamt (2022): Beschäftiggenstatistik nach Wirtschaftsabschnitten