Jahresbericht 2021 des Fachausschusses Migration und Integration
Die Arbeit des Fachausschusses Migration und Integration war im Jahr 2021 deutlich von der Bundestagswahl geprägt. Durch Forderungspapiere und Gespräche mit Vertreter:innen verschiedener Parteien wurden die Interessen von Geflüchteten und Eingewanderten in die Wahlprogramme und in die Regierungsbildungsprozesse eingebracht. Im Koalitionsvertrag finden sich verschiedene Forderungen der BAGFW wieder, wie die Sicherstellung behördenunabhängiger Asylverfahrensberatung, der sozialgesetzlich verankerte Anspruch auf Sprachmittlung, die Einrichtung eines humanitären Aufnahmeprogramms, verbesserte Regelungen zum Familiennachzug und eine Neuausrichtung der bestehenden Bleiberechtsregelungen, sowie Verbesserungen beim Zugang zur Krankenversicherung und zur schnelleren Geltendmachung bestehender Ansprüche.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Fachausschusses betraf die Beratungsstellen für Migrant/innen. Die Beratungszahlen der Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) befinden sich seit Mitte des letzten Jahrzehnts weiterhin auf hohem Niveau und Beratungsbedarfe sind in vielen Fällen intensiver und komplexer geworden. Dennoch sehen sich die Beratungsstellen mit einer geringen Ressourcenausstattung konfrontiert. Um die Bedarfe der MBE besser identifizieren zu können, wurde eine Umfrage unter den Trägern durchgeführt, und die Verbände standen mit dem Fördermittelgeber in einem intensiven Dialog, der fortgeführt wird. Für eine bessere Sichtbarkeit der MBE hat der Fachausschuss 2021 mit dem BAMF den Aufbau einer eigenen Webseite für die MBE der Verbände diskutiert, so dass 2022 eine erste Landingpage freigeschaltet werden kann. Außerdem fand trotz der andauernden Corona-Pandemie der 7. Aktionstag für die MBE statt, für das der Fachausschuss umfassende Vorbereitungsmaterialien für die Träger vor Ort zur Verfügung stellte. Der Aufruf der BAGFW brachte eine Rekordbeteiligung.
Das Thema “Anspruch auf Sprachmittlung bei der Erbringung von sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen” wurde 2021 durch Positionspapiere, Fallbeispiele und Gespräche ebenfalls kontinuierlich in der Bundespolitik vorangetrieben. Der Fachausschuss begrüßt die Pläne der neuen Bundesregierung, Sprachmittlung als Leistung im Kontext medizinischer Behandlungen einzuführen.
Die BAGFW hat sich des Weiteren für Verbesserungen bei der Familienzusammenführung eingesetzt. Im Koalitionsvertrag wurde verabredet, dass der Rechtsanspruch für subsidiär Schutzberechtigte wiedereingesetzt werden soll. Ebenso soll die rechtliche Möglichkeit eröffnet werden, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Geschwister nachholen können.
Zum Themenbereich Asyl stellte ein Arbeitsschwerpunkt des Fachausschusses die Asylverfahrensberatung dar. Seit den 1990er Jahren werden durch die Asylverfahrensberatung der Verbände Asylsuchende gestärkt, im Asylverfahren selbstverantwortlich zu handeln und die Gründe ihrer Flucht nachvollziehbar darzustellen. 2019 hat das BAMF unter dem Namen Asylverfahrensberatung ein erweitertes Informationsangebot für Schutzsuchende geschaffen und flächendeckend ausgerollt. Nach verschiedenen Gesprächen mit dem BAMF hat der Fachausschuss die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Angebote herausgearbeitet und setzte sich während der Bundestagswahl weiter für die bedarfsdeckende Finanzierung der behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung der Verbände durch Bundesmittel ein. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, eine flächendeckende und behördenunabhängige Asylverfahrensberatung einzuführen. Mit dem BAMF stand die BAGFW in einem Austausch, um ein gemeinsames Papier zu Beratungsstandards zu erarbeiten.
Bereits vor der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat sich die BAGFW mit einem Schreiben an die Innenministerkonferenz gewandt, um von Abschiebungen nach Afghanistan abzusehen. Seither setzt sie sich für eine Aufnahme afghanischer Flüchtlinge ein.
Schließlich hat die BAGFW zum Thema Asyl verschiedene Fortbildungen angeboten: In der Reihe „Bleibeperspektiven“ wurden Berater/innen der Migrationsfachdienste u.a. zur Einbürgerung und Niederlassungserlaubnis für Geflüchtete, Spurwechsel für Fachkräfte und Ausbildungsduldung fortgebildet. Im verbandsübergreifenden „Workshop Asylverfahrensberatung“ fanden Fortbildungen u.a. zu den Themen Rechtsdienstleistungsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz und Anhörungsvorbereitung statt.
Zum Themenschwerpunkt Unionsbürger/innen wurden im Jahr 2021 die Ergebnisse der BAGFW-Praxisumfrage bei den Beratungsstellen veröffentlicht. Sie belegten die Schwierigkeiten von EU-Bürger/innen bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen nach SGB II, SGB XII und Kindergeldansprüchen. Zu den Ergebnissen wurden Gespräche mit dem BMAS geführt. Zu den sozialen Rechten von Unionsbürger/innen wurde außerdem die Zusammenarbeit des Fachausschusses mit der EU-Gleichbehandlungsstelle fortgesetzt. Die gemeinsam erarbeitete Handreichung „Zugang zum Gesundheitssystem“ findet große Verbreitung in der Beratungsarbeit, ebenso die Flyer in 11 Sprachen, die den Ratsuchenden zur Verfügung stehen. Die dazugehörige Online-Seminarreihe „Zugang zum Gesundheitssystem für Unionsbürger/innen“ wurde aufgrund der hohen Anfrage zweimal durchgeführt (u.a. zu den Themen Europäischen Krankenversicherungskarte, Familienversicherung, Beitragsschulden und Personen ohne Versicherungsschutz). Insgesamt haben über 1.500 Personen an den Fortbildungen teilgenommen.
Die neue Bundesregierung hat viele Verbesserungen für Eingewanderte und Geflüchtete versprochen. Im Jahr 2022 wird der Fachausschuss vor der Aufgabe stehen, mit seiner Expertise und den Erfahrungen der Träger vor Ort, die Pläne der neuen Bundesregierung in ihrer Umsetzung zu begleiten und weiterhin auf bestehende Barrieren für Eingewanderte und Geflüchtete aufmerksam zu machen, die sie an der Wahrnehmung ihrer Rechte und einer gesellschaftlichen Teilhabe hindern.