Das Politische Jahr 2016

Das Politische Jahr 2016

 

Auch im zweiten Jahr der Federführung durch den Paritätischen Gesamtverband stand das Thema „Geflüchtete“ in seinen vielfältigen Aspekten stark im Vordergrund der BAGFW-Arbeit.

Im Unterschied zu 2015 ging es im zurückliegenden Jahr – neben dem Schutz besonders vulnerabler Gruppen – jedoch zunehmend stärker um Fragen der Integration von Flüchtlingen und ihrer gelingenden Aufnahme in die deutsche Gesellschaft. Insbesondere die Integration in den Arbeitsmarkt stand im Vordergrund der Bemühungen. Parallel zu den abnehmenden Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland hat sich die Lage aber insgesamt entspannt. 


Auf der anderen Seite wird deutlich, dass die eigentlichen Aufgaben der Integration jetzt dringlich werden und uns noch viele Jahre begleiten werden. Auf insgesamt vier Gipfeltreffen mit der Bundeskanzlerin im Bundeskanzleramt wurden diese Themen mit der Politik, im Kreis weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen, den kommunalen Spitzenverbänden und der Sozialpartner, besprochen.

 


 
Zusammen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge haben wir eine 2-tägige Konferenz zum bürgerschaftlichen Engagement für und mit Geflüchteten durchgeführt, die sich aus den Erkenntnissen aus dem Projekt „Koordinierung, Qualifizierung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements für Flüchtlinge“ ergeben hat.

Mit Frau Özuguz wurde darüber hinaus im April mit Vertretern aller Spitzenverbände zu Integrationsfragen beraten. Beim Politikforum der BAGFW im November erläuterte der Bundesinnenminister zentrale Aspekte seiner Integrationspolitik.


Mit den Mitarbeitern des Flüchtlingskoordinators der Bundesregierung waren wir das Jahr über bei mehreren Begegnungen in einem stetigen Austausch. Hier besteht die gute Gelegenheit Sichtweisen abzugleichen und unsere Erfahrungen aus der Praxis der Flüchtlingsarbeit einzubringen.
 

   


Die grundsätzliche Atmosphäre im Hinblick auf Geflüchtete wurde im letzten Jahr zunehmend durch lauter werdende rechtspopulistische und rassistische Interventionen und durch das Erstarken entsprechender Parteien und Organisationen negativ beeinflusst. Im Rahmen der Möglichkeiten hat die Freie Wohlfahrtspflege auf diese Entwicklung reagiert. Ein Höhepunkt war die von der Diakonie Deutschland und der Caritas initiierte „Tafel der Vielfalt“ am Tag des Flüchtlings auf dem Washingtonplatz in Berlin.

Zweiter zentraler Arbeitsbereich des Jahres war auch diesmal die Altenpflege. Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes und des neuen Einstufungsverfahrens hat die Pflegepolitik in den drei Pflegestärkungsgesetzen tatsächlich eine insgesamt als positiv zu würdigende Reform auf den Weg gebracht. Die Abkehr von einem defizitorientierten und die Hinwendung zu einem teilhabeorientierten Verständnis von Pflege sind ein großer Schritt in die richtige Richtung. Im Berichtszeitraum spielte vor allem die Vorbereitung auf die praktische Umsetzung der neuen Regelungen ab 2017 eine wichtige Rolle und daneben die Begleitung des III. Pflegestärkungsgesetzes, das sich mit Fragen der kommunalen Aufgaben in der Altenpflege beschäftigt. Auch das Projekt zum Abbau von Bürokratie in der Pflegedokumentation konnte erfolgreich fortgesetzt werden. Hier war die BAGFW im Lenkungsausschuss aktiv und beteiligt sich an den finanziellen Aufwendungen zur Übertragung des Modells auch auf die Kurzzeit- und Tagespflege.

In Umsetzung von Möglichkeiten, die das Präventionsgesetz einräumt, wurde mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine Kooperationsabsichtserklärung erarbeitet und am Rande des Kongresses „Armut und Gesundheit“ im März unterzeichnet.

   


In der Behindertenpolitik hat das nach langen Diskussionen schließlich verabschiedete Bundesteilhabegesetz insgesamt enttäuscht. Auch wenn die eine oder andere Regelung wie die Anerkennung von Freigrenzen beim Vermögen oder der weitere Bürokratieabbau als positiv einzuschätzen sind, bleibt es doch insgesamt hinter den gesteckten Erwartungen deutlich zurück. Die BAGFW hat sich bis zuletzt bemüht, die Substanz des Gesetzes durch eine intensive Mitarbeit in den entsprechenden Konsultationen und durch das Einbringen von eigenen Vorschlägen zu erhöhen.

Ein weiteres großes Reformvorhaben, die Reform des SGB VIII, konnte die große Koalition im Berichtszeitraum nicht zu Ende bringen. Der Grund dafür ist offensichtlich in den Widerständen von Länderseite zu sehen, die insbesondere nur sehr begrenzt bereit sind, die angedachten Strukturreformen in der Jugendhilfe bei sich auf den Weg zu bringen. Aber auch das Management des Gesetzgebungsprozesses muss als unglücklich bezeichnet werden. Die BAGFW hat frühzeitig, insbesondere auch im Rahmen eines Gespräches mit der Parlamentarischen Staatssekretärin, Caren Marks, bereits im Juni auf Defizite und Probleme der Umsetzung hingewiesen.
 

 Auch Europa hatte im Jahr des beschlossenen Brexit einen hohen Stellenwert in der Arbeit der BAGFW. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in der Durchführung einer Mitgliederversammlung im Juni in Brüssel, bei dem es zu verschiedenen hochrangigen Gesprächen, allen voran mit dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, gekommen ist.


Aber auch die Alltagsarbeit des Europabüros der BAGFW konnte durch eine Vereinbarung mit der Bank für Sozialwirtschaft hinsichtlich deren Beteiligung an einem Praktikanten gestärkt werden. Inhaltlich bemüht sich die BAGFW um eine Stärkung der sozialen Säule in Europa und begrüßt entsprechende Aktivitäten der Kommission. In der entsprechenden Konsultation haben wir uns breit geäußert und über den EWS einen Initiativantrag lanciert, der sich mit Standards für Sozialsysteme in Europa befasst. Das Thema war u.a. auch Gegenstand eines Gespräches mit der Bundesarbeitsministerin im Dezember in Berlin.

Das bewährte Format des „Sozialmonitoring“ mit der Bundesregierung zur Besprechung von ungewollten Auswirkungen bestehender sozialgesetzlicher Regelungen hat auch in 2016, unter der umsichtigen Moderation der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMAS, Frau Lösekrug-Möller, seine zweifache Fortsetzung gefunden. Dieses bewährte Gesprächsformat räumt der Freien Wohlfahrtspflege die Möglichkeit ein, von ihr identifizierte Defizite in der Gesetzgebung des Bundes zu thematisieren und Vorschläge zu deren Abhilfe zu unterbreiten.
 

 Auf Veranstaltungsebene gab es im letzten Jahr drei Höhepunkte: Gleich zu Beginn des Jahres haben wir im Humboldt-Carrè Berlin mit dankenswerter finanzieller Unterstützung des BMFSFJ eine Tagung zum Thema: „Innovativ und nachhaltig – Freie Wohlfahrtspflege in Deutschland. Zukunftsthemen denken“ durchgeführt.
 Die Tagung, an der etwa 150 Personen aus dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld der Wohlfahrtspflege teilgenommen haben, widmete sich Fragen der Zukunftssicherheit der Freien Wohlfahrtspflege.


Gemeinsam mit dem Deutschen Vereinen haben wir dann im März einen Parlamentarischen Abend veranstaltet, der die sozialpolitische Zwischenbilanz der großen Koalition zum Gegenstand hatte. Die dritte große Veranstaltung war das Politikforum mit der Vereleihung des Deutschen Sozialpreises im November. Beim Politikforum umrissen der BAGFW-Präsident und der Bundesinnenminister Grundfragen der Flüchtlingspolitik, die dann in einer Talkrunde vertieft wurden, an der neben dem Minister, Frau Nurhan Soykan, stellv. Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Herr Ulf Poschardt, Chefredakteur von WeltN24 und der BAGFW-Vizepräsident Dr. Peter Neher teilnahmen.

   


Die Gesprächskontakte zu den muslimischen Verbänden, die sich im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz um einen Ausbau ihrer Wohlfahrtsaktivitäten bemühen, fanden auch in 2016 ihre Fortsetzung. Anfang März gab es dazu ein weiteres Spitzengespräch der BAGFW-Verbände mit den islamischen Verbänden und Ende August wurden zwei Workshops im Bereich Altenhilfe und im Bereich Kinder- und Jugendhilfe mit Fachleuten der Verbände durchgeführt. Die BAGFW verdeutlicht damit, dass sie für die fachliche Unterstützung der islamischen Verbände bereitsteht. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang auch das vom BMFSFJ entwickelte „Empowerment-Projekt“ zur Stärkung der islamischen Kompetenzen im Wohlfahrtsbereich.

Die im Rahmen der Flüchtlingsarbeit der Spitzenverbände angehobenen Haushaltstitel des Bundes waren im zurückliegenden Jahr absolut notwendig, um den gewachsenen Aufgaben gerecht werden zu können. Da sich diese – wie ausgeführt – auch in im Jahr 2017 fortsetzen werden, war es uns ein wichtiges Anliegen eine Verstetigung dieser Mittel für die folgenden Jahre zu erreichen. Mit Unterstützung der Berichterstatter des Haushaltsausschusses und des Ministeriums ist uns dies zumindest für 2017 auch gelungen. Diese Notwendigkeit war auch Gegenstand eines Spitzengespräches des BAGFW-Präsidenten mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im August. Ferner wurde dabei auch ein Anwendungserlass des BMF zur Abgabenordnung thematisiert, der es den gemeinnützigen Organisationen in Zukunft verunmöglicht, Überschüsse in einem Bereich zur Finanzierung von Aufgaben in einem anderen Bereich zu verwenden. Dies ist für die Praxis der sozialen Arbeit von großer Bedeutung. Eine Rücknahme oder Änderung konnte bisher jedoch leider nicht erreicht werden.

Auch mit den Landesligen der Freien Wohlfahrtspflege haben wir den Dialog im bisherigen Format fortgesetzt und uns am neuen 29.09.2016 über gemeinsam interessierende Fragen ausgetauscht.

Zur Mitte des Jahres ist der Referatsleiter „Wohlfahrtspflege“ im BMFSFJ, Herr Wolfgang Meincke, nach vielen Jahren erfolgreicher Arbeit in dieser Position, in den Ruhestand getreten. Wir möchten die Gelegenheit nutzen uns auch an dieser Stelle herzlich bei Herrn Meincke für seine Arbeit und für sein Engagement für die Freie Wohlfahrtspflege zu bedanken.