Am 24. Februar 2009 wurde in Brüssel zu den Themen soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung eine von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Kommission), GD Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, initiierte Konferenz veranstaltet.
Weitere Informationen zur Konferenz (Programm und Studie) unter:
http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=88&langId=nl&eventsId=145&furtherEvents=yes
Angesichts steigender Rohstoffpreise und globaler Umweltproblematiken wie dem Klimawandel wird ein Umdenken unumgänglich. Die Intention der Konferenz lag darin, anhand von Beiträgen aus Wissenschaft, Politik und dem Sozialsektor die Notwendigkeit aufzuzeigen, Synergien zu schaffen hinsichtlich der umweltpolitischen und der sozialen Perspektive. In seiner Eröffnungsrede betonte Vladimir Spidla (Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit), dass insbesondere nachhaltige Entwicklung im gleichen Sinne auch eine soziale Frage sei. Ohne soziale Kohäsion ist Nachhaltigkeit nicht zu erreichen. Diese Vernetzung fasst zugleich die wesentliche Erkenntnis der Konferenz zusammen.
Philippe Van Parijs* unternahm im Folgenden einen Versuch der Begriffsbestimmung. Sowohl den Ausdruck der nachhaltigen Entwicklung als auch der sozialen Gerechtigkeit betrachtete er unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung. Zwei Fragestellungen bildeten hierbei den Rahmen: 1) Was erfordert die Gerechtigkeit weltweit? Und 2) Auf welcher Ebene müssen die politischen Institutionen angesiedelt sein, um ersteres zu gewährleisten? Hierzu müssten die bestmöglichsten Optionen für alle Menschen gleichermaßen bereitgestellt werden. Für diesen Lösungsansatz ist Nachhaltigkeit jedoch unabdingbar. Probleme ergeben sich in der Umsetzung; da die Realisierung sozialer Belange oftmals negative Auswirkungen auf Umweltaspekte haben kann. Aus diesem Grund stellte Parijs die Forderung in seinem Beitrag, dass Maßnahmen für nachhaltige Entwicklung begleitet werden müssen von Maßnahmen für die soziale Entwicklung. Die Europäische Union (EU) sollte hier als wichtiger Impulsgeber agieren.
Mit dem folgenden Beitrag wurde der Aspekt der Gesundheit mit hinzugezogen. Michael Marmot* fasste in diesem Zusammenhang zusammen: sowohl der Zugang zu einer medizinischen Versorgung als auch die Möglichkeit überhaupt eine gute, adäquate Gesundheit zu erreichen (Ernährung etc.) fallen unter den Begriff der Gesundheit. Ungleichheiten in diesem Bereich aufzuheben sei Aufgabe der sozialen Gerechtigkeit. Dabei ist festzuhalten, dass es für eine erfolgreiche Evaluierung der Probleme immer notwendig ist die gesamte Gesellschaft zu betrachten, und nicht nur den ärmsten Bevölkerungsanteil. Indikatoren wie die Lebenserwartung stehen in enger Verbindung mit anderen Faktoren wie etwa Bildung und Einkommen. Zwar spielt letzteres durchaus eine Rolle, so für den Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung, doch müssen auch hier andere Faktoren berücksichtigt werden (höhere Sterblichkeit in bestimmten Gebieten wegen einem hohen Anteil an Kriminalität). Diese Auswirkungen auf die Gesundheit werden unter dem Begriff der Gesundheitsgerechtigkeit zusammengefasst.
Helmut Weidner* befasste sich danach mit der Frage: bezahlen die Armen unverhältnismäßig viel für den Übergang zu einem grünen Europa?
Zwei Punkte kristallisierten sich in seinem Beitrag heraus. Zum einen die zunehmend größeren Auswirkungen auf die schwächeren Einkommen (regressive Verteilungseffekte), zum anderen das anhaltende Desinteresse in Bezug auf die Fragestellung
(Umweltgerechtigkeit). In diesem Zusammenhang betonte Weidner, dass eine ausreichende
Unterstützung (vor Ort) für ein erfolgreiches Vorgehen, in diesem wie in jedem anderen
Bereich, unabdingbar ist.
Stichwort „grüne Arbeitsplätze“: mögliche Überwindung der Kluft zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit durch geringeren Verbrauch von Energie, Rohstoffen, Abfall und Umweltverschmutzung. Diesen Lösungsansatz stellte Peter Poschen* vor. Hierfür wichtige Sektoren sind etwa die erneuerbaren Energien, die Umweltindustrie oder das Bauwesen (Zuliefererbetriebe mit eingeschlossen). Positive Effekte hätte dies somit auf den Bereich der Beschäftigung. Herausforderungen zu diesem Ansatz finden sich hinsichtlich qualitäts- und ausbildungsbedingter Gesichtspunkte.
Der letzte Themenbeitrag (Philippe Boncour*) befasste sich mit einer konkreten Problematik: den Klimaflüchtlingen, oder Umweltmigranten. Als schwierig gestaltet sich in diesen Fällen oftmals die klare Einordnung der Migranten. Die schon in den vorangegangenen Beiträgen gewonnene Erkenntnis der Synergie von umwelt- und sozialpolitischen Aspekten wurde in diesem Beitrag noch einmal nachdrücklich bestätigt.
In seinem Resümee kam Jérôme Vignon* zu folgendem Schluss: eine Positionierung der EU als globaler Akteur, als Reaktion auf das sich ändernde soziale Geflecht, erscheint notwendig. Gleiches gilt für eine intensivere Beschäftigung mit der Verteilungsgerechtigkeit. Insbesondere für seinen Aufgabenbereich bedeutet dies, Ungleichheiten (Einkommensungleichheiten) zu beseitigen bzw. zu reduzieren, indem Optionen (Gesundheit, „grüne Arbeitsplätze“) geboten werden müssen. Des Weiteren muss der Solidaritätsaspekt in Europa mehr in den Vordergrund rücken, d. h. Teilnahme/Mitsprache an der Gesellschaft und mehr Zugang zu grundlegenden Gütern zu schaffen.
Die dargestellten Ziele der Vernetzung nachhaltiger Entwicklung mit Beschäftigung und sozialer Kohäsion wurden anhand von spezifischen Beispielen verdeutlicht. Inhaltlich bezogen sich einige Projekte auf die Verbesserung der Lebensbedingungen für ältere und einkommensschwächere Menschen (vgl. Urban II Pamplona, Spanien: http://urbact.eu/fileadmin/subsites/participando/pdf/Pamplona_city_presentation.pdf; Renovierung von Mehrfamilienhäusern, Bulgarien: http://www.obnovendom.com/?page_id=213).
In der abschließenden Diskussion warf Jean Lambert* die Frage der Zuständigkeit auf der sozialen Ebene auf, da hier ihres Erachtens zu wenige Ansprechpartner vorhanden sind. Auch nannte sie den ehrenamtlichen Sektor (sozialer Zusammenhalt) als einen bedeutenden Bereich, allerdings mit der Fragestellung, wie dieser durch die EU unterstützt werden kann?
Anhang: Links
PROJEKTE
Urban Pamplona II (Spanien): http://urbact.eu/fileadmin/subsites/participando/pdf/Pamplona_city_presentation.pdf Ökosteuerreform (Deutschland)
Knowle West Carbon Makeover (UK) Energy cutters (Belgien):
Renovierung von Mehrfamilienhäusern (Bulgarien): http://www.obnovendom.com/?page_id=213
BIRD (Italien)
Ramnicu Valcea (Rumänien):
Warm Front (UK): http://www.warmfront.co.uk/stakeholder-info.htm
Climate Change Mitigation Policies and Social Justice (King Baudouin Foundation):
http://www.kbs-frb.be/uploadedFiles/KBS-FRB/Files/Folder/2009_ClimateChange_LeafletE.pdf
LINKS ZU DEN EINRICHTUNGEN DER REDNER
* Philippe Van Parijs, Professor für Sozial- und Wirtschaftsethik an der Katholischen
Universität Louvain, Belgien: http://www.uclouvain.be/en-11688.html
* Michael Marmot, WHO, Vorsitzen der der Kommission „Social Determinants of Health“, Professor für Epidemiologie und Gesundheitswesen am University College London, UK:
http://www.who.int/social_determinants/strategy/marmot/en/index.html
* Helmut Weidner, WZB, Berin: http://www.wzb.eu/zkd/tki/people/weidner.de.htm
* Peter Poschen, Senior technical adviser, ILO, Genf, Schweiz:
http://www.ilo.org/integration/greenjobs/lang--en/index.htm
* Philippe Boncour, “Head of International Dialogue on Migration” der International
Organisation for Migration (IOM), Genf, Schweiz: http://www.iom.int/jahia/Jahia/lang/en/pid/385
* Jérôme Vignon, Direktor für Sozialschutz und soziale Integration, GD Beschäftigung:
http://ec.europa.eu/dgs/employment_social/organigram/e_de.htm
* Jean Lambert, MdEP, Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz, UK:
http://www.europarl.europa.eu/members/expert/searchForm/view.do?id=4531&language=DE